31. Oktober 2023
Matthias Ewelt zu einem aktuellen Thema:

Geistliches Wort zum Reformationstag 2023


Vor drei Wochen habe ich mit mehreren hundert anderen Menschen in Saarbrücken an einem Schweigemarsch für Israel teilgenommen. Die Bilder des Krieges dort und die aus der Ukraine tun mir in der Seele weh.

Aber noch immer klingen in mir die Solidarität beim Marsch und der berührende Gesang des jüdischen Kantors positiv nach.

Es sind diese Gegensätze, die für mich zusammengehören wie zwei Seiten einer Medaille: Die Schrecklichkeit dessen, was Menschen einander weltweit antun, die Zerstörung – und die Solidarität, das Gute, was sie gemeinsam zu schaffen vermögen.

 Im Blick auf das Reformationsfest frage ich mich, was die Reformation damals und heute für ambivalente Gefühle ausgelöst hat und vielleicht noch auslöst. Als Luther, Zwingli und die anderen Reformatoren aufbegehrten, waren damit jedenfalls starke Gefühle verbunden: Provokation und Trotz, bisweilen blanker Hass, aber auch Befreiung und Enthusiasmus.

Heute, Jahrhunderte später, leben die Konfessionen von damals friedlich miteinander in diesem Land. Einem Land des Friedens, der Demokratie, der Meinungs- und Religionsfreiheit. Einem Land, in dem Bildung (auch das ein Ergebnis der Reformation) frei zugänglich ist. Ein Land, das in der Integration und Inklusion nicht alles, aber doch viel erreicht hat – allzu oft weit mehr als andere Länder, die sich aus Angst, Ignoranz, Unbarmherzigkeit oder Nationalismus abgeschottet haben.

Warum also gibt es Hass und Angst, Radikalismus und Unversöhnlichkeit auch heute, auch hier bei uns? Warum erzielen die, die nachweislich so gar nichts Gutes, Ausgleichendes oder für die Schwachen Hilfreiches wollen, gute Wahlergebnisse?

An dieser Stelle frage ich: Wo ist der Geist der Reformation? Ist der Reformationstag ein Tag der Gleichgültigkeit und Gewohnheit geworden?

Als evangelischer Christ möchte ich gern meinen Beitrag leisten, dass Religion und Kirche einen positiven Wert für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung leisten. Ich will mich – ganz reformatorisch – gegen Hass und Ausgrenzung, gegen Populismus und bösartige Kommentare auflehnen. Ich will, dass gestritten wird, nicht gekämpft. Ich will, dass um die Wahrheit gerungen wird, statt mit Lügen und falschen Vereinfachungen Wählerfang zu betreiben. Ich will, dass Menschen die Notlagen, die Armut, prekäre Lebenssituationen und Krankheit ihrer Mitmenschen zu verstehen suchen und mit aller Kraft bekämpfen, anstatt sie herablassend zu kommentieren.

Es gibt so viel Gutes, Liebevolles, Solidarisches bei uns. Immer wieder erlebe ich eine große Hilfs- und Gebebereitschaft. Ich wünsche mir, dass der Wille zum Diskurs, zur Verständigung, zum Kompromiss oder Ausgleich mächtig ist und wird. Und dieser Wille soll – wenn es nach mir geht – von so vielen Menschen wie nur möglich mitgetragen und unterstützt werden.

Dafür will ich als Kind der Reformation aktiv sein. Bei uns in der Diakonie, in der Kirche und in der Zivilgesellschaft. Sie auch? Gottes Segen und viel Tatkraft wünsche ich uns allen dafür!


Geschäftsführung
Diakoniepfarrer
Matthias Ewelt
Rembrandtstraße 17-19
66540 Neunkirchen
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Telefax: 06821 956-205




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