15. Januar 2024

Präses Latzel auf Landessynode: „Hören, hoffen und handeln“ für eine geistliche und sozial engagierte Kirche


Zu einem neuen Hören auf Gott, Kirche, Welt und sich selbst hat der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Dr. Thorsten Latzel, ermutigt. „Die Kirche hat eine gute Zukunft vor sich – wenn sie zu hören versteht“, erklärte der Präses in seinem „Bericht über die für die Kirche wichtigen Ereignisse“ vor der Landessynode in Düsseldorf. Darin nahm er auch Stellung zu gesellschaftlichen Themen wie Armut, Demokratie und Frieden.

Seit Beginn sei Gottes Schöpfung auf Resonanz hin angelegt. Heute lebe der Mensch jedoch in einer Zeit, in der das Hören zunehmend schwerer falle. „Wir sind bildgeflutet, hörgeschädigt, zugetextet auf allen Kanälen“, sagte Latzel. Zwar spiele Religion für einen großen Teil der Bevölkerung in ihrem Leben keine Rolle. Auf der anderen Seite sei in der Literatur, in der Kunst oder im Film „eine neue Frage nach Gott zu spüren“. Zudem sei der christliche Glaube „nicht einfach und die Bibel keine Sammlung theologischer Richtigkeiten, sondern vielmehr ein Diskussionsprotokoll aus über 1000 Jahren, in denen Menschen mit Gott ringen.“ Der Präses richtete den Blick auf eine Welt, in der Gott gänzlich fehlen würde: „Dann fehlt die eine Hoffnung über die Krisen dieser Welt hinaus. Es fehlt die ausgleichende Gerechtigkeit, dass die Tyrannen dieser Welt nicht damit durchkommen. [...] Es fehlt ein letzter Grund für die Unverfügbarkeit und die Würde eines jeden Geschöpfs.“ Zwar lasse sich die Welt auch ohne Gott deuten. „Aber ich glaube nicht besser und vor allem: nicht wahrer“, so Latzel.

Kontakt zu den Menschen

Im Jahr 2023 habe die Kirchenleitung bewusst viel Zeit zum Hören verwendet, berichtete der Präses. Zum Beispiel im „ökumenischen Lernen“ bei Reisen zu Kirchen in Frankreich, England, Finnland und den Niederlanden. Und bei Besuchen in vielen Kirchenkreisen und Gemeinden der rheinischen Kirche. Ein zentrales Kriterium für eine gute kirchliche Arbeit sei der Kontakt zu den Menschen, vor allem in der Begleitung bei Geburt, Erwachsenwerden, Hochzeit und Beerdigung. Hier gebe es im Rheinland „eine Fülle von kreativen Projekten und großem Engagement. Und es gibt viele lebendige Gemeinden, die ganz unaufgeregt gute Basisarbeit machen.“

Aufgabenkritik gegen die Selbsterschöpfung

Die tradierten kirchlichen Strukturen führten jedoch oft zur Selbsterschöpfung. Latzel plädierte daher für eine „tiefgreifende Aufgabenkritik“. Und die Kirche brauche „resiliente Strukturen, die auch funktionieren, wenn wir nur noch die Hälfte sind. Die Frage ist: Wie können wir unter grundlegenden anderen Bedingungen Kirche für die Menschen sein? Und zwar so, dass es attraktiv ist, dabei mitzuarbeiten.“ Dazu gehörten auch Formen, in denen Menschen ihre Kompetenz zeitlich oder thematisch begrenzt einbringen können. Bezogen auf den Gottesdienst regte der Präses an, in der Praxis zu unterscheiden zwischen kleineren geistlichen Formaten und gottesdienstlichen Feiern, die gezielt ein größeres Publikum anziehen, wie Schulgottesdienste oder Konfirmationsjubiläen. Zudem stehe nicht an erster Stelle, „was sonntags passiert“, sondern es komme auf den alltäglichen Gottesdienst an. „Jeden Tag finden Millionen Gottesdienste statt - im Leben jedes einzelnen Gläubigen“, sagte der Präses. Auch beim gesellschaftlichen Engagement von Christinnen und Christen sei nicht entscheidend, wie groß die Kirche sei. Ihre Berufung sei es, Salz der Erde zu sein. „Selbst geringe Mengen erzielen großen Effekt. Entscheidend ist die Wirkung.“

Für den Sozialstaat und den Frieden – gegen Antisemitismus

In seinem Bericht ging Präses Latzel konkret auf verschiedene gesellschaftliche Herausforderungen ein. Als sozial-politische Herausforderungen nannte der Präses die Bekämpfung der Armut: „Es ist eine Schande, dass Kinderreichtum eines der größten Armutsrisiken ist.“ Der Sozialstaat speise sich wesentlich aus christlichen Wurzeln – „ihn zu erhalten, ist ein Gebot der Nächstenliebe“. Er warnte vor wegbrechender Versorgung in der Fläche. Angesichts des russischen Krieges gegen die Ukraine ermutigte der Präses die Kirche, den mehr als eine Million ukrainischen Frauen und Kinder in Deutschland Halt und Heimat zu geben und würdigte das große Engagement in den Gemeinden. Er bezog klar Stellung gegen alle Kräfte, „die versuchen, Terror, Gewalt und Krieg religiös zu legitimieren“. Angesichts einer erstarkenden Judenfeindlichkeit in Deutschland erklärte Latzel: „Antisemitismus ist Gotteslästerung und hat hier nichts zu suchen.“ Die Evangelische Kirche im Rheinland werde ihr Engagement gegen jede Form von Judenhass verstärken.

In der Kirche lernen, sich für die Welt zu engagieren

Angesichts des Verlustes demokratischer Bindungskräfte bedankte sich der Präses bei allen Menschen, die sich für die Demokratie einsetzen. Er positionierte sich klar gegen einen demokratiefeindlichen Rechtsextremismus. „Die Grundhaltung der AfD widerspricht zutiefst dem christlichen Glauben“. „Sie schürt in Krisen Ängste und Hass und spaltet so die Gesellschaft“, bilanzierte Latzel. Angesichts des Rückgangs der Bindung an Parteien, Gewerkschaften, Kirchen und Vereinen würdigte er den empirisch belegten Umstand, dass religiöse Menschen sich öfter gesellschaftlich engagieren, auch außerhalb von Kirche – und dass sie ein größeres Vertrauen in Institutionen haben. „Beides sind wesentliche Elemente demokratischen Sozialkapitals. Pointiert formuliert: In der Kirche lernen Menschen, sich für die Welt zu engagieren – und warum sie sie nicht retten müssen, weil das Gottes Sache ist.“





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